Dorfertal:
Spaziergang im „geretteten“ Tal
Aus heutiger Sicht klingen die Pläne, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts geschmiedet wurden, mehr als absurd: In drei der schönsten Seitentäler Osttirols hätten riesige Staumauern zur Stromgewinnung errichtet werden sollen. Gott sei Dank konnte dies nach heftigen Diskussionen verhindert werden. Eine davon – genau 222 Meter hoch – war im Dorfertal (Abb. 1), oberhalb von Kals am Großglockner, geplant. Heute ist das schöne, auf über 1.600 m gelegene Almtal ein Anziehungspunkt für viele Touristen und Bergwanderer.
Erfahrene Bergwanderer werden über den nachstehenden Wandertipp wahrscheinlich die „Nase rümpfen“, handelt es sich doch dabei eher um einen Spaziergang in alpinen Regionen, doch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, aus diesem eine „richtige“ Bergtour zu machen.
Ausgangspunkt unseres Wandertipps ist der Taurerwirt am Ende der Straße, die von Huben im Iseltal nach Kals und von dort weiter in den auf etwa 1.500 m gelegenen Ortsteil Burg-Taurer (Abb. 2) führt. Bereits rund 200 m vor dem Taurerwirt, der mit seinem Wanderhotel seit vielen Jahren beliebter Treffpunkt von Tourengehern ist, befindet sich ein großer, kostenloser Parkplatz für Besucher des Dorfertals. Wenige Meter nach dem Taurerwirt beginnt der Fahrweg in die Daberklamm, die sehr oft auch als Dabaklamm bezeichnet wird, mit einem Schranken: Nur Berechtigte dürfen, zeitlich genau geregelt, diese Straße benützen – dieses ist übrigens ein Relikt aus der Planungsphase des Kraftwerks. Stets rechts vom Dorferbach, wird dieser Weg im immer enger werdenden Tal nach einem fast flachen Stück etwas steiler. Nach rund 15–20 Minuten verschwindet der Fahrweg rechts in einem Tunnel, während ein kühn angelegter Gehweg die Felsen (Abb. 3) entlang nun etwas steiler aufwärts führt. Von Aussichtsplattformen (Abb. 4) kann man immer wieder den tief unter uns ins Tal rauschenden Dorferbach (Abb. 5) bestaunen. Wer nicht nass werden will, sollte einen Regenschirm oder Regenschutz mitnehmen, denn von den rechts aufstrebenden Felsen kommen – speziell bei oder nach Regenfällen – Wasserströme herunter: Eine Dusche ist also inbegriffen. Übrigens sollte man die Daberklamm bei Schlechtwetter besser meiden, ein Ausweichen durch den Tunnel ist auch nicht ratsam, denn dieser ist finster und auch im Hochsommer bitterkalt. Nach rund 10–15 Minuten vereinen sich Fahrstraße und Gehweg wieder und führen gemeinsam, nun kaum mehr ansteigend, zum oberen Ende der Daberklamm, wo mit einer Tafel drastisch an die Pläne zum Bau einer riesigen Staumauer erinnert wird.
Hier öffnet sich nun endgültig das traumhaft schöne Dorfertal (Abb. 6). Rechts von der Glocknergruppe und links von der Granatspitzgruppe stürzen dutzende Wasserfälle ins Tal hinab und lassen den Dorferbach kontinuierlich anschwellen. Rund 15–20 Minuten vom Ende der Daberklamm bzw. etwa 45–60 Minuten und fast 150 Hm (Höhenmeter) vom Taurerwirt erreicht man mit der Bergeralm (1.636 m, Abb. 7) die erste der beiden bewirtschafteten Almen im Dorfertal. Bergwanderern steht nun die Möglichkeit offen, auf die linke Seite des Dorferbaches zu wechseln und in ca. 2½–3,0 Stunden über einen Höhenweg mit toller Aussicht über die Ochsenalm zum Kalser Tauernhaus zu marschieren. Wir aber bleiben auf der rechten Seite des Dorferbaches und wandern weiter Richtung Norden (Abb. 8). Dabei nähern wir uns scheinbar immer mehr den Berggiganten der Hohen Tauern. Unübersehbar dabei ist auf der linken Seite des Dorfertals der Muntanitz (3.232 m, Abb. 9), der auf halbem Weg zwischen Bergeralm und Kalser Tauernhaus mit dem Muntanitzbach einen gewaltigen Wasserfall (Abb. 10) ins Tal sendet. Auf dem Weg sieht man auch einige alte Almhäuser, die im Sommer bewohnt sind. Nur wenig ansteigend, sogar mit einigen kleineren Gegensteigungen, geht es weiter und nach einem kurzen Waldstück erreicht man nach ca. 45 Minuten von der Bergeralm (ca. 1½–1¾ Stunden vom Taurerwirt) das stattliche, vom Deutschen Alpenverein (Sektion Mönchengladbach) geführte Kalser Tauernhaus (1.754 m, Abb. 11), das zu Rast und Einkehr einlädt. Knapp rechts vor dem Ziel unserer kleinen Wanderung mit Blick hinauf auf die Gipfel und Gletscher der Glocknergruppe (Abb. 12) steht die Muttergottes-Kapelle (Abb. 13).
Wer aber noch nicht müde ist, kann entweder auf der linken Seite des Dorfertals vorbei an einem weiteren imposanten Wasserfall (Abb. 14) auf schmalen Steigen zum Spinewitrol (2.483 m) und weiter zum Schwarzsee (2.602 m) – beide mit einem prachtvollen Blick zum Großglockner – oder weiter taleinwärts (Abb. 15) zum Dorfersee aufsteigen. Da kurz nach dem Kalser Tauernhaus der breite Fahrweg zu Ende ist, führt auch zu diesem wunderschön im obersten Talkessel gelegenen Bergsee entlang des immer wilder zum Tal brausenden Dorferbaches (Abb. 16) nur ein Steig, teilweise über Blockwerk (Abb. 17). Wer entsprechend ausgerüstet ist, sollte diesen Mehraufwand (hin und retour ca. 1¾–2,0 Stunden und ca. 200 Hm mit einer kleinen Gegensteigung kurz vor dem See) auf sich nehmen und den Dorfersee (1.935 m, Abb. 18) besuchen. Ein kalter Gletschersee in traumhafter hochalpiner Landschaft ist der Lohn für diese Mühe! Ganz fitte Bergwanderer können weiter bis zum Kalser Tauern (2.515 m) und zur Landesgrenze – zum Bundesland Salzburg – wandern. Unterhalb dieses alten Tauernüberganges liegen das berühmte Berghotel Rudolfshütte und zwei größere Stauseen, dort kann man sich gut ein Bild davon machen, was dem Dorfertal erspart geblieben ist!
Für den Rückweg vom Kalser Tauernhaus, der Richtung Süden wieder durch das Dorfertal (Abb. 19) und die Daberklamm (Abb. 20) auf dem Aufstiegsweg erfolgt, braucht man bis zum Ausgangspunkt kaum mehr als 60–75 Minuten.
Geogr. Länge/Breite: 12°38'18''/47°01'21''
Rechtswert (UTM): 320545 m (Zone: 33 N)
Hochwert (UTM): 5210385 m (Zone: 33 N)